In der zweiteiligen Arbeit lactating artist von Ann-Josephin Dietz, bestehend aus einer Performance und einer Installation, wird die strukturelle Diskriminierung von Frauen bzw. Künstlerinnen in ihrem Arbeitskontext sowie ihrem Lebensalltag in der Gesellschaft thematisiert. Die Installation besteht aus einer Tafel, deren Tischdecke aus Latex, die Haptik der Epidermis imitiert. Nach der durchgeführten Performance befinden sich auf der Tafel ein Schokoladenbrunnen mit erkalteter weißer
Schokolade sowie benutze Löffel, an denen Überreste der weißen Schokolade und Spuren von Mundabdrücken zu erkennen sind. Diese Gegenstände sind die verbliebenen Relikte der dazugehörigen Performance. In einem Akt der bewussten Selbstermächtigung füttert die Performerin die Besuchenden löffelweise mit weißer Schokolade. Innerhalb der Performance entschied die Künstlerin wer gefüttert werden soll und wie oft. Die Teilnehmenden erlebten hautnah die Machtverteilung der gebenden Mutter und wurden damit vom Besuchenden zum passiven aufnehmenden Kind. Die Schokolade steht hier sinnbildlich für die lebensspendende Kraft der Muttermilch, die bewusst ausgegeben und nicht durch automatisierte Prozesse aus der Brust der Mutter abgesaugt wird. Das Aussaugen bzw. Ausgeben erfolgt kontrolliert und thematisiert damit die selbstverständliche Rolle der Frau als gebendes Individuum innerhalb der Gesellschaft. Gleichzeitig werden die Teilnehmenden in das Kindesalter zurückversetzt und die Konditionierung der Mundöffnung wird reaktiviert. In diesem Moment der Nahrungsaufnahme dringt die Künstlerin in den privaten Raum ihres Gegenübers ein. Abwechselnd füttert die Künstlerin die Personen an der Tafel und Umstehende mit der Schokolade und schafft dabei einen inneren und äußeren Rahmen und eine Kommunikationsfläche für den Konflikt der sozial-gesellschaftlichen Ungleichheit.
Text: Ioanna Valavanis
Fotos: Roland Hasenmüller